Willing Suspension of Disbelief

Katja Frechen

Was für ein schöner Kühlschrank, so sauber und wohlsortiert. Beim zweiten Hinsehen merkt man, dass Obst und Gemüse zu schön sind, um echt zu sein. Ich habe sie in der Auslage eines altmodischen Elektroladens gesehen. Die Illusion, in den wohlsortierten Kühlschrank einer Veganerin zu schauen, kam gar nicht erst auf.

Ganz anders ergeht es mir im Kino. Ich kaufe mir ja schon die Karte mit der Absicht, betuppt zu werden. Ich möchte für zwei Stunden abtauchen und all das glauben, was sich vor mir auf der Leinwand abspielt. Das gilt für stark stilisierte Filme wie Moonrise Kingdom, die beinahe wie ein Theaterstück daherkommen, aber auch für realistischere Literaturverfilmungen wie Wild. In beiden Fällen möchte ich ungestört in dieser Welt sein und den Figuren und ihrer Geschichte folgen.

Alle, die an einem Film beteiligt sind, Drehbuchautoren, Regisseure, Schauspieler, Maske, Kostüm-, Ausstattungs-, Kamera- oder Tonleute (um nur einige zu nennen), arbeiten in der Regel daran, den Zuschauern dieses mehrstündige Abtauchen in eine andere Welt zu ermöglichen. Voraussetzung für die ‚willentliche Aufgabe des Zweifels‘ (willing suspension of disbelief) seitens der Zuschauer ist ein handwerklich gut gemachter Film, Popcorn und ein dunkler Kinosaal. – Vielleicht sollte der Besitzer des Elektroladens sein Schaufenster abdunkeln und einen Spot auf’s Gemüse richten?