Eine Graphic Novel mit Wut und Mut

Nils – Die Illustratorin Melanie Garanin wird zur Autorin und verwandelt tiefe Trauer in eine mutmachende Geschichte

Die Autorin selbst - mit freundlicher Genehmigung von Melanie Garanin

Melanin Garanin ist erfolgreiche Illustratorin. Ihr ‚Strich‘ hat Charakter, ihre Figuren und Tiere beleben zahlreichen Kinder- und Jugendbücher. Sie, die bisher die Texte anderer illustriert hat, will eine eigene Geschichte erzählen. Der Wunsch entstand nach einem Erlebnis, das ihr Leben aus den Angeln hob. Wir treffen uns, um darüber zu reden, wie ich sie dabei unterstützen kann.

Unser erstes Gespräch

In einem verwinkelten Café mit lauten Kaffeemaschinen erzählt Melanie der Reihe nach, was sie erlebt hat. Die Fakten sind schnell benannt: Ihr jüngstes Kind war schwer erkrankt. Erst sah es so aus, als würde die Behandlung wirken und der kleine Nils, ein großer Fan von Rittern, sich gut erholen. Dann gab es eine Verkettung folgenschwerer Ereignisse, an deren Ende Nils in den Armen seiner Eltern starb.

Wie Antworten auf elementare Fragen finden?

Die Fakten sind entsetzlich. Wie kann Nils‘ Familie diesen Verlust aushalten? Wohin mit Trauer und Wut? Wie jeden Tag aufstehen? Melanie wählte fürs erste den vertrauten Weg, sie zeichnete. So machte sie die eigenen Gedanken und Gefühle und die ihrer Familie sichtbar. Von den intuitiven Zeichnungen in ihrem Skizzenbuch zu ihrer Geschichte war es ein vergleichsweise kurzer Weg.

Nils als Ritter - mit freundlicher Genehmigung von Melanie Garanin

Aus Biographischem wird eine Geschichte

Bei Melanies Erzählung fiel es mir anfangs wirklich schwer, sachlich zu bleiben, aber das war genau das, was sie sich wünschte: Sie suchte dramaturgisches Wissen und Klarheit als Kontrast zu ihren schweren Gefühlen. Sie wünschte sich einen Blick von außen und eine handwerkliche Herangehensweise, mit der sie eine Geschichte entwickeln könnte. Also machten wir uns an die Arbeit.

Melanies Ressourcen

Zum Auftakt bitte ich Melanie, eine Übung zu machen: „Schreib oben auf ein Blatt die Frage, warum Nils eine wunderbare Geschichte wird. Und dann schreibst Du mindestens zwanzig Gründe auf.“ Das fand sie im Nachhinein enorm nützlich.

Melanie bringt durch ihren Beruf schon ein Gespür für Geschichten mit, für Zwischentöne und ihren eigenen Witz. Und auch der ‚Stoff‘ für die Geschichte ist schon da: Sie will schildern, was mit ihrem Kind und ihrer Familie passiert ist. Da gibt es nichts hinzuzudichten, oder?

ein Zitat wie eine Stimmgabel für "Nils" - mit freundlicher Genehmigung von Melanie Garanin
Melanies Kinder - mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Aus Menschen werden Figuren

Bei der Verwandlung eigener Erlebnisse in eine Geschichte geht es darum, eine Auswahl zu treffen. Die Auswahl beginnt bei den Menschen, die in der Geschichte eine Rolle spielen sollen. Melanie überlegt: Wie viele Hauptfiguren soll es geben? Nur eine Hauptfigur, Nils oder Melanie, oder werden es zwei Hauptfiguren sein, Nils und Melanie? Und wie viele Nebenfiguren werden die Geschichte bevölkern? Was halten ihr Mann und ihre Kinder davon, in Nils eine Rolle zu spielen? Mit solchen Fragen steigen wir in die Entwicklung der Charaktere ein, betrachteten deren Licht- und Schattenseiten, um sie rund zu machen, verwandeln Menschen in Figuren.

„Jede Geschichte sollte die Form bekommen, die sie braucht“ (Alexander Steele in „Romane und Kurzgeschichten schreiben“)

Als nächstes entwickeln wir Schritt für Schritt die Form der Geschichte. Bei einer Graphic Novel, einer Art Bilderroman, gibt es große Freiheiten, Seiten zu gestalten. Wie will Melanie diese Freiheit nutzen? Sie beginnt damit, die ‚Meilensteine‘ ihrer Geschichte festzulegen. Dafür notiert sie einzelne Szenen verschiedener Handlungsstränge und verwebt sie zu einer Handlung. So steckt sie nach und nach den Rahmen für die Geschichte ab, die ich bewegend und trostreich finde.

"Nils", erschienen im Carlsen-Verlag, eigenes Foto

Veröffentlichung

Was folgt, sind Wochen fordernder Fleißarbeit: Melanie beginnt, Szenen zu zeichnen, erst mit Tusche, die sie später mit Aquarellfarben koloriert. Mit diesen Szenen und einem Exposee macht sie sich auf die Suche nach einem Verlag. Die Lektorin des Hamburger Carlsen-Verlags zeigt Interesse! Produktive Gespräche folgen. Danach gibt es für Melanie wieder Wochen und Monate im Atelier, in denen sie sich jetzt auch die Ideen des Verlags integrieren kann. Erst als sich Inhalt und Form der Geschichte konkret abzeichnen, unterschreibt sie den Vertrag. Und 2020 erscheint das Buch Nils.

Der Kreis schließt sich

Nach der Veröffentlichung schreibt Melanie mir: „Niemand hätte wohl gedacht, wie gut es ankommt bei den Menschen und wie viele es kaufen. … Ich freue mich vor allem, dass es eigentlich alle so lesen, wie es gedacht war: Todtraurig, aber mit Lachen und hoffnungsvoll versöhnlich und mit Wut aber trotzdem im Guten zum Schluss.“ – Lest es!

 

Danke 

Ich bin beeindruckt von Melanies Mut, Kraft und Kreativität, die sie aufgebracht hat, um Nils zu erzählen. Danke für diese außerordentliche Zusammenarbeit.

Nur Mut

Alle, die eine noch diffuse Geschichte in sich tragen, möchte ich ermuntern, sie zu erzählen – egal ob sie kurz oder lang ist, tragisch oder munter, albern oder ernst, bebildert oder Text pur. Die Idee ist, anzufangen, sich auf die Reise zu begeben. Gerne bin ich als Begleiterin dabei.

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